Exzentriker, Revoluzzer, Querkopf und unbequemer Rebell: Paul Breitner war ein Sportler, an dem sich die Geister schieden. Fußballerisch prägte er den Stil des FC Bayern der frühen 80er Jahre und war zudem eine der dominierenden Persönlichkeiten in der Nationalmannschaft. Zu seinen größten Erfolgen zählt der Sieg bei der Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Im Finale gegen Holland (Endstand 2:1) versenkte er per Elfmeter den wichtigen Ausgleichstreffer zum 1:1. Wir hatten die Gelegenheit, Breitner auf dem jüngsten Deutschen Ausbildungsleiterkongress (DALK) als Keynote-Speaker zu erleben und mit ihm im Interview über die Parallelen zwischen der Führung in Ausbildungsbetrieben und im Spitzensport zu sprechen.
Was macht gute Führung aus – sowohl im Leistungssport als auch im Ausbildungsbereich?
Die gemeinsame Überschrift lautet Erfolg. Der Weg zum persönlichen, individuellen Erfolg ist ein ganz intensiver und wichtiger, der viele Facetten hat. Um Menschen dabei zu unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen, benötigt es sowohl im Sport als auch in Ausbildungsbetrieben Wissen, Empathie und fachliche Kompetenz. Damit Azubis, Studenten und Fußballer zum Erfolg gebracht werden können, werden Führungspersönlichkeiten gebraucht, die in der Lage sind, mit dem Einzelnen sowie mit der gesamten Gruppe so umzugehen, dass sich jeder bestmöglich entfalten kann.
Was können Ausbildungsverantwortliche tun, um als Coach und Mentor wahrgenommen zu werden?
Ausbilder sollten in erster Linie in der Lage sein, ihren eigenen Weg glaubwürdig rüberzubringen, diesen vorzuleben und sich partnerschaftlich zu zeigen. Jeder Mensch braucht um sich herum den einen oder anderen Problemlöser. Im Rahmen einer Führungsaufgabe ist dies einer der entscheidendsten Punkte: Führungspersönlichkeiten sollten aufzeigen, wie Probleme erkannt und gelöst werden können – ohne Wenn und Aber und mit absoluter Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.
Wie ist mit Stärken und Schwächen umzugehen?
Das ist eigentlich ganz einfach: Bei Schwächen sollte die Person in leitender Position loben, bei Stärken sollte sie sich kritisch zeigen. Sehr gute Nachwuchstalente müssen immer wieder dazu animiert werden, noch besser und vor allem nicht überheblich zu werden. Dieses Wechselspiel zwischen Lob und Kritik erfordert viel Fingerspitzengefühl. Wenn die Führungskraft einmal zu viel schimpft oder einmal zu viel lobt, obwohl dies gerade nicht angebracht war, wird sie unglaubwürdig. Zu erkennen, welches Verhalten wann angebracht ist – das macht den perfekten Ausbilder und Trainer aus.
Wie lässt sich ein Team als Gesamtes bestmöglich aufstellen?
Auch hierbei geht es vor allem darum, relativ schnell erkennen zu können, wer welche Stärken und Schwächen hat und individuell auf diese einzugehen. Nur die Gruppe, die einen Ausbildungsleiter beziehungsweise nur die Mannschaft, die einen Trainer hat, der jedes Mitglied individuell führen kann, wird überdurchschnittlichen Erfolg haben.
Wie ist mit Konflikten umzugehen?
Meines Erachtens sollten Konflikte sofort ausgetragen werden. Als ich in der Zeit von 1970 bis 1974 sozusagen Lehrling war, gab es Typen wie Franz Beckenbauer und Gerd Müller, die ganz klar gesagt haben: Wir gehen nicht raus auf das Spielfeld, wenn es irgendwelche Probleme innerhalb der Mannschaft gibt. Bei uns hat es gekracht – häufig unmittelbar vor Spielen. Wenn der Schiedsrichter dann gepfiffen hat und wir raus auf das Spielfeld mussten, hatten wir wenigstens schon einmal darüber gesprochen und mussten den Streit nicht mit auf den Platz nehmen. Konflikte sollten nicht unter den Teppich gekehrt, sondern gelöst werden – und zwar sofort. Genau so habe ich es in den letzten Jahren, in denen ich für reichlich Mannschaften mitverantwortlich war, gehalten.
Über Paul Breitner
Mit dem Fußballspielen begann Paul Breitner, geboren 1951, als Sechsjähriger. Den Sprung in die von Udo Lattek trainierte Jugendnationalmannschaft schaffte er 1968. Als Lattek ein Jahr später Trainer beim FC Bayern München wurde, nahm er seine beiden Musterschüler Paul Breitner und Uli Hoeneß mit. Als Offensivverteidiger und Mittelfeldspieler trug Breitner wesentlich zu den Erfolgen seiner Mannschaft bei, zu denen unter anderem die Deutsche Meisterschaft 1972-1974 gehörte.
Als 19-Jähriger debütierte er 1971 neben Berti Vogts als Verteidiger beim 7:1-Sieg der DFB-Auswahl in Oslo gegen Norwegen. Ein Jahr später folgte der EM-Titel in Belgien. Nach dem Sieg bei der WM 1974 wechselte Breitner zu Real Madrid. Mit den „Königlichen“ wurde er beispielsweise 1975 Meister und Pokalsieger. Im Sommer 1977 kehrte Breitner schließlich zurück in die Bundesliga zu Eintracht Braunschweig. Hier blieb er jedoch nur eine Saison und spielte ab 1978 wieder beim FC Bayern München.
Ab 1981 absolvierte er weitere 20 Länderspiele, obwohl er sich eigentlich bereits 1975 aus der Nationalmannschaft zurückgezogen hatte. Bei der Fußball-WM 1982 in Spanien war Breitner die Leitfigur der deutschen Nationalelf und erreichte mit seinen Mannschaftskollegen das Finale, in dem man sich 1:3 gegen Italien geschlagen geben musste. Nach einem Foul beendete er seine Laufbahn Mitte der Saison 1982/83. In den vergangenen Jahren war Breitner unter anderem als Chefscout und Markenbotschafter des FC Bayern tätig.
Auf dem DALK referierte Breitner zum Thema „Azubis leiten ist Leistungssport – Parallelen zwischen HR- und Ausbildungsverantwortlichen und Profilsportlern“. Eine seiner Kernaussagen lautete, dass Führungskräfte einer Gruppe nur dann gerecht werden können, wenn sie jedem Einzelnen gerecht werden.