„Pay for Performance“ als Motivator?

Die Ausgestaltung der in der Praxis angewandten Incentives ist vielfältig. Die Incentive-Branche erfreut sich wachsenden Interesses – ebenso Studien, Ratgeber und Seminare zur effizienten Anreizgestaltung bzw. Mitarbeitermotivierung. Die Mehrheit basiert auf der Annahme, dass der Mitarbeiter sich bei der Aussicht auf eine erfolgsabhängige Bezahlung stärker engagiert. Dennoch steht die Wirksamkeit entsprechender Anreizsysteme infrage, ihre Anwendung wird zunehmend skeptisch betrachtet. Insbesondere die Reduzierung des Mitarbeiters auf eine steuerbare Reiz-Reaktions-Maschine, die der äußeren Lenkung bedarf, steht in der Kritik.

Erfolgsabhängige Anreizsysteme sind fester Bestandteil der unternehmerischen Praxis. Sie sollen Mitarbeiter zu höherem Engagement motivieren und somit ihre Performance steigern. Zugleich beobachten wir in der Praxis wiederholt, dass Unternehmen versuchen, Boni als Gestaltungsmasse für Gehaltsverhandlungen zu instrumentalisieren. So wird Kandidaten ein Fixgehalt unterhalb ihrer Erwartungen geboten und zugleich der Versuch unternommen, dies durch eine hohe variable Gehaltskomponente zu kompensieren. Das Risiko liegt hier beim Kandidaten – zusätzlich zum Verzicht in Bezug auf das bisherige Fixum fehlen ihm Insights, um die Realisierbarkeit seiner Zielvorgaben klar einzuordnen. Sind diese tatsächlich zu hoch angesetzt, ist spätestens bei ausbleibender oder verminderter Bonuszahlung das Vertrauensverhältnis zum neuen Arbeitgeber nachhaltig beschädigt. Insbesondere bei Top-Kandidaten zahlt sich jedoch das Vertrauen in deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft nachhaltiger aus als die frühzeitige Fokussierung auf profitgesteuertes Verhalten.


Zur Kausalität von Wollen und Können

Weithin trifft man auf Einigkeit bzgl. der Aussage, dass es einen Zusammenhang zwischen finanziellen Anreizen, erhöhtem Arbeitseinsatz und individueller Leistungssteigerung gibt. Die Mehrheit der Unternehmen setzt auf leistungsabhängige Gehaltssysteme. Zurecht gehen sie davon aus, dass Motivation und Leistung in einer positiven Ursache-Wirkung-Beziehung stehen. Fraglich ist jedoch, ob diese Kausalität auch für die Motivierung bzw. externe Anreizsteuerung gilt. Völlig unbeachtet bleibt in diesem Kontext übrigens die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters. Motivation ist eben nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Leistung – anders formuliert: Ohne das nötige Können, hilft alles Wollen nicht. Zu häufig werden zudem entscheidende Einflussfaktoren bei der Ausgestaltung eines konkreten Anreizsystems außer Acht gelassen. Insbesondere eine Fokussierung auf rein ökonomische Gesichtspunkte zur Erklärung der menschlichen Leistungs¬motivation greift zu kurz und lässt komplexe psychologische Wirkzusammenhänge außen vor.

Für einfache Aufgabenstellungen bestätigen Forschungsergebnisse zumeist den beschriebenen Wirkzusammenhang. Je komplexer jedoch die Aufgaben werden, desto weniger eindeutig fallen die Studien aus. Die Bankenkrise hat zudem gezeigt, dass erfolgsabhängige Bonuszahlungen auch schmerzlichen Einfluss auf die Risikobereitschaft nehmen können. Durch Fehlanreize (moral hazard) kam es auf Kosten der Allgemeinheit zu fatalen Handlungen, gleichzeitig verhielten sich die verantwortlichen Manager jedoch aus subjektiver Sicht ökonomisch rational.


Der Gewöhnungseffekt von Anreizen

Die Mechanismen des Belohnungs- und Verstärkungssystems unseres Gehirns sind nicht für dauerhaftes Wohlbefinden ausgelegt, sondern erhalten durch den permanenten Wechsel zwischen Aktivierung und Deaktivierung den Anreiz für weitere Aktivitäten aufrecht. Dies bedeutet für die Praxis, dass Belohnungssysteme das Risiko bergen, Gewöhnungseffekte hervorzurufen. Die Wirkung des Anreizes verpufft und für die Zukunft werden kontinuierlich höhere Dosierungen erforderlich, um – analog zur Toleranz/Gewöhnung bei einer Arznei – die gewünschte Wirkung zu erzielen. Die Prämie des Vorjahres wird als Bestandteil der regulären Entlohnung wahrgenommen (Plateau-Effekt), denn der Mensch gewöhnt sich nur zu schnell an ein höheres Reizniveau. Und so wächst das zur Aufrechterhaltung der Motivation erforderliche Anreizniveau kontinuierlich in die Höhe. Die Motivation des Mitarbeiters speist sich zudem aus zahlreichen Einflüssen, von denen nur die wenigsten der Arbeitssphäre zuzuordnen sind – bspw. der familiären Situation. Die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten des Arbeitgebers sind also von vornherein begrenzt.


Belohnung auf Verdacht?

Theoretische Basis der Ausgestaltung von Anreizsystemen ist die Prinzipal-Agenten-Theorie. Der Arbeitgeber ist der Prinzipal, der Mitarbeiter der Agent. Beide Parteien erbringen ihre jeweilige Leistung zeitversetzt, zudem sind ihre Interessen nicht deckungsgleich und der Agent verfügt über einen Wissensvorsprung bzgl. seiner eigenen Arbeitsleistung. Je komplexer die Handlungen des Mitarbeiters werden, desto schwieriger wird es für den Prinzipal, deren Qualität zu beurteilen. Er muss die Arbeitsergebnisse des Agenten als Basis der Anreizgestaltung verwenden. Die Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent erfordert, dass der Agent mit zunehmender Aufgabenkomplexität am erwirtschafteten Outcome beteiligt wird, um sicherzustellen, dass er im Sinne des Prinzipals handelt und entsprechende Arbeitsanstrengungen erbringt – ansonsten würde er den Wissensvorsprung ausnutzen und arbeitsscheu handeln. Der erwirtschaftete Outcome ist i. d. R. nicht ausschließlich auf die Leistung des Agenten zurückzuführen, sondern hängt auch von externen und unkontrollierbaren Faktoren ab. Trotz hoher Arbeitsanstrengung trägt der an sich risikoscheue Agent das Risiko einer zu geringen Kompensation für seinen Arbeitseinsatz. Daher muss er mit steigender Unsicherheit und somit für die Übernahme weiterer Risiken überproportional durch entsprechende Incentives entlohnt werden.

Soweit das beschriebene Prinzipal-Agenten-Dilemma als Erklärungsgrundlage für die Anwendung von Anreizsystemen dient, offenbart es zugleich die herrschende Grundannahme: Der Agent bzw. die Arbeitskraft arbeitet per se weniger als möglich. Drastischer formuliert: Der Arbeitnehmer leistet von sich aus nicht das, wofür er bezahlt wird. Eine Kultur des Verdachts und Misstrauens ist die Folge. Da stellt sich die Frage: Bildet Misstrauen gegenüber dem Arbeitnehmer das Fundament für Anreizsysteme bzw. Motivierung insgesamt?


Anreize und ihre Einbettung

Bei der Ausgestaltung von Anreizsystemen spielt das Attribut Fairness in seiner Funktion als bedeutsame soziale Regel eine entscheidende Rolle. Anreizsysteme müssen auf einer objektiven und nachvollziehbaren Leistungsbewertung basieren und von der Mehrzahl der Mitarbeiter als gerecht empfunden werden. Sowohl von denen, die profitieren, als auch von denen, die leer ausgehen. Nicht nur die zweite Forderung ist schwierig zu erfüllen. Studien zur Reziprozität, also zu den Austauschbeziehungen zwischen Mitarbeiter und Unternehmen, kommen zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter sich für eingeräumte Vergünstigungen revanchieren – auch ohne langfristige Vorteilserwartung. Großzügigkeit zahlt sich wohl aus.

In Bezug auf die Ausgestaltung von
Anreizsystemen legen die Erkenntnisse der Prospect-Theorie von Kahnemann und Tversky nahe, dass Mitarbeiter leistungsabhängige Vergütungsmodelle wohl eher akzeptieren, wenn diese einen Bonus statt eines Malus enthalten – selbst wenn das monetäre Ergebnis das gleiche ist. Denn unser Nutzenempfinden hängt auch vom Framing der jeweiligen Entscheidungssituation ab. Aufgrund unserer Verlustaversion bewerten wir den subjektiven Nutzen aus einem Gewinn geringer als den subjektiv empfundenen Schaden aus einem Verlust gleicher Höhe. Dieses Wissen kann helfen, ineffiziente Transaktionen in Anreizsystemen zu vermeiden.

Zudem muss eine verzögerte Bonuszahlung höher ausfallen als eine ad hoc erfolgte Zahlung, um das gleiche Nutzenempfinden auszulösen. Die zeitliche Gestaltung (intertemporal Framing) eines Anreizsystems beeinflusst dessen Beurteilung durch den Arbeitnehmer und verdeutlicht dem Mitarbeiter den Zusammenhang zwischen Geschehen und Belohnung. Der negative Nutzen einer verzögerten Zahlung wiegt schwerer als der positive Nutzen bei der Beschleunigung der Zahlung.


Wettbewerb als Motivator?

Basierend auf den Erkenntnissen der Social-Comparison-Theorie wissen wir: Menschen vergleichen sich selbst kontinuierlich mit anderen, um ihre Leistung und Fähigkeiten zu bewerten, und haben das Bedürfnis, im Vergleich zu anderen relativ besser abzuschneiden. Referenzpunkt ist also nicht der eigene Leistungsanspruch oder die eigene Leistungssteigerung, sondern die Relation zur Leistung einer Vergleichsgruppe. Werden in Anreizsystemen die Leistungen von Managern, Mitarbeitern bzw. Abteilungen, die unter ähnlichen Bedingungen arbeiten, miteinander verglichen, so spornt allein die Tatsache dieses Vergleiches zu erhöhter Leistung an. Durch Einsatz einer relativen Performance-Bewertung kann dieser Motivationsschub in Grenzen auch ohne jeglichen finanziellen Bonus genutzt werden. Studien legen den Schluss nahe, dass Menschen sich umso mehr anstrengen, je eher sich ihre Leistung mit der einer Vergleichsgruppe bzw. -person gegenüberstellen lässt und die gesteckten Rahmenbedingungen sich entsprechen. Dieser Effekt kann durch Zwischenfeedbacks, bspw. monatliche Berichte, noch gesteigert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass kein „Alles-oder-Nichts“-Prinzip vorherrscht. Ist nämlich klar, dass unter mehreren Beteiligten am Ende nur der Beste ein Incentive in Form eines Bonus oder einer Beförderung erhält, dann wird ein Großteil der
Beteiligten vorzeitig die Leistungssteigerung einstellen, da eine Belohnung/Kompensation als unerreichbar betrachtet wird. Zudem sind Männer wohl insgesamt empfänglicher für die positiven Effekte relativer Performance-Bewertung. Unter Berücksichtigung dieses Blickwinkels muss auch die Transparenz von Bonussystemen von zwei Seiten betrachtet werden: Das Wissen um die attraktive Ausgestaltung des Bonussystems für einen Kollegen kann über den sozialen Vergleich auf einen selbst nicht nur als Ansporn, sondern durchaus auch demotivierend wirken.

Hinzu kommt, dass die Steigerung des Wettbewerbs unter Kollegen neben positiven Effekten auch Risiken birgt. Eine kompetitive Arbeitsumgebung befeuert eigennutzorientiertes Handeln und abnehmende Hilfsbereitschaft und gefährdet die innerbetriebliche Kooperation. Letztlich muss abgewogen werden, welche Vorgehensweise zur herrschenden Unternehmenskultur und zu den vorhandenen Mitarbeitern passt.


Wahre Motivation kommt von innen

Betrachtet man ehemalige Familienunternehmen, die von Investoren übernommen wurden, erkennt man häufig einen Paradigmenwechsel im Entlohnungssystem. An die Stelle persönlicher Anerkennung rücken Bonusregelungen, die eine Anreizverlagerung mit sich bringen, welche wiederum die ursprünglichen intrinsischen Motivatoren wie bspw. Arbeitsfreude verdrängt. Neben unerwünschten Effekten auf die Unternehmenskultur kann dies auch zu einer Leistungsminderung führen und ist das Resultat einer weithin anzutreffenden Unterschätzung der Bedeutung intrinsischer Motivation. Intrinsisch motivierte Personen beziehen ihre Motivation aus der Tätigkeit oder Aufgabe selbst. Extrinsisch motivierte Mitarbeiter erbringen bestimmte Leistungen, weil sie sich davon einen Vorteil (Bonus) versprechen oder Nachteile vermeiden wollen. Die Leistung um ihrer selbst willen weicht einer Orientierung an der in Aussicht gestellten Belohnung. An diesen Punkt knüpft der Großteil der Kritik an Anreizsystemen an.

Der Korrumpierungseffekt steht für die Verdrängung intrinsischer durch extrinsische Motive. Zunächst kommt es häufig zu einer Steigerung des bestärkten Verhaltens – fällt der äußere Anreiz jedoch weg, sinkt das ursprünglich freiwillig gezeigte Verhalten unter das Ausgangsniveau zurück. Wird für eine bislang gerne wahrgenommene Tätigkeit plötzlich eine Belohnung angeboten, unterliegt sie einer kognitiven Neubewertung und wird künftig weniger gerne ausgeführt. Vieles hängt aber von der individuellen Wahrnehmung des externen Reizes ab. Wird das Autonomieerleben gestärkt bzw. wird eine Belohnung als nicht kontrollierend wahrgenommen, kann die intrinsische Motivation gesteigert werden. Gleiches gilt, wenn die Belohnung auch als Anerkennung eigener Kompetenz wahrgenommen wird. Führt aber eine Belohnung zu einer Reduzierung eigenen Kompetenzerlebens oder wird sie als kontrollierend erlebt, kommt es zum Korrumpierungseffekt. Daraus folgt: Motivierung kann auch demotivieren.

Insbesondere leistungskontingente Belohnung, die nur bei Erreichung eines bestimmten Leistungsniveaus erfolgt, birgt aufgrund der inhärenten Verhaltenskontrolle ein erhöhtes Potenzial, sich negativ auf die intrinsische Motivation auszuwirken. Existenz und Ausprägung des Korrumpierungseffektes sind umstritten. Wo zuvor keine ausreichende intrinsische Motivation vorhanden war, kann sie im Übrigen auch nicht korrumpiert werden. Zudem existieren de facto Berufsgruppen und Mitarbeiter, die zahlengetrieben agieren und großen Wert auf materielle Anreize legen. Dennoch haben zahlreiche Studien gezeigt, dass sich finanzielle Anreize kontraproduktiv auf die Motivation auswirken können. Zugleich zeigen sie aber auch, dass verbale Belohnungen positiv auf die intrinsische Motivation einwirken und einen Motivationsschub bewirken können. Ein rein informatives Feedback in Form eines dankenden Lobes steigert das eigene Kompetenzerleben, bietet dem Mitarbeiter Anerkennung ohne Bedingungen und wird weniger kontrollierend wahrgenommen. Insgesamt wird die Bedeutung sozialer Anerkennung in vielen Unternehmen trotz der Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Forschung weiterhin unter- und die Wirkung hoher monetärer Incentives überschätzt. Eine rein monetär ausgerichtete Anreizsteuerung verkennt das menschliche Verlangen nach sozialer Bindung und Wertschätzung. Letztlich bleiben alle Versuche, die Mitarbeiter durch externe Anreize zu erhöhter Arbeitsleistung zu motivieren, der intrinsischen Motivation unterlegen. Diese wirkt stabiler und anhaltender.


Eine Frage des Menschenbildes

Vielfach wird die These vertreten, dass das Erleben von Sinn in Bezug auf die eigene Tätigkeit die stärkste Motivation darstellt. Kritiker vergleichen externe Anreize gerne mit Fäden, die gleichsam einer Marionette Mitarbeiter (fern-)steuern und lenken sollen und dabei deren Individualität und Eigenwillen missachten. Ihre Basis ist ein Menschenbild, das dem Mitarbeiter eine Grundmotivation unterstellt, die es zu nutzen gilt, anstatt ihn als antriebsloses und arbeitsscheues Wesen zu betrachten, welches nicht von sich aus tut, was es tun sollte. Hinzu kommt, dass jeder individuell unterschiedlich auf Anreize reagiert und diese interpretiert. Motivation ist ein äußerst komplexes Konstrukt und äußert sich in unterschiedlichsten Strukturen. Die Anwendung einer einheitlichen Anreizpraxis auf eine Vielzahl von Mitarbeitern gleicht dem Versuch, mit einem einzigen Köder
sämtliche Fische zu locken. Die Herausforderung liegt dann in der Evaluation der jeweiligen intrinsischen Motivationslage jedes einzelnen Mitarbeiters. Die Konzeption ausgeklügelter Anreizsysteme weicht so dem persönlichen Dialog.