Leadership Judgement Indicator – Führungskompetenz messbar gemacht

Mit dem „Leadership Judgement Indicator“ hat die Dr. Schmidt & Partner Personalberatung ihr Eignungsdiagnostik-Portfolio jüngst um ein zusätzliches Prognoseverfahren erweitert. Das Ziel: Führungskompetenz von Direktansprache-Kandidaten noch vorhersagbarer und besser messbar zu machen. Die Personalberater Sebastian Hergott und Oliver Stübs erläutern die Hintergründe des Verfahrens – und die Vorteile für ihre Mandanten.

Seit dem Sommer 2016 setzt drsp im Rahmen von Direktansprache-Mandaten den Leadership Judgement Indicator (LJI) ein – warum?

Sebastian Hergott: Gute Führungskräfte an Bord zu haben, ist eines der zentralen Kriterien für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Viele unserer Mandanten sehen das genauso und tragen immer häufiger den Wunsch an uns heran, die Führungsqualitäten eines Kandidaten nicht nur auf Grundlage von Werdegang und persönlichem Eindruck zu erfassen, sondern zusätzlich eignungsdiagnostische Verfahren einzusetzen. Idealerweise sollte das natürlich mit einem Test erfolgen, der Führungskompetenz nicht nur schwammig umreißt, sondern durch harte Zahlen mess- und vergleichbar macht.

Oliver Stübs: Wir haben uns im Vorfeld unserer Auswahl mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verfahren auseinandergesetzt. Der LJI hat uns überzeugt, weil er für das Recruiting von Führungskräften eine sehr hohe Aussagekraft besitzt: Das Verfahren ist mehrfach konstruktvalidiert, zielgruppenspezifisch auf Führungspositionen zugeschnitten und international in zahlreichen Sprachen verfügbar. Zudem sind die Ergebnisse für den Kandidaten nicht manipulierbar – im Gegensatz zu zahlreichen anderen Tests, die vor allem auf einer Selbsteinschätzung des Bewerbers basieren.

Um etwas zu messen, muss man es erst einmal definieren. Was macht gemäß LJI überhaupt eine gute Führungskraft aus? 

Oliver Stübs: Die Grundannahme des LJI lässt sich recht knapp wie folgt beschreiben: Eine erfolgreiche Führungskraft ist in der Lage, ihr Führungsverhalten der jeweiligen Situation anzupassen. Das setzt natürlich voraus, dass die Führungskraft in der Lage ist, unterschiedliche Situationen mit all ihren Stakeholdern auch korrekt einzuschätzen.

Sebastian Hergott: Und das heißt im Umkehrschluss: Es gibt nicht den einen richtigen Führungsstil – selbst wenn im Unternehmen als Ganzem vielleicht eine grundsätzliche Tendenz zur direktiven oder auch zur einvernehmlichen Führung vorherrscht. Der LJI postuliert, dass alle Entscheidungs-/Führungsstile grundsätzlich gleichwertig sind. Führungskompetenz wird viel weniger von der Persönlichkeit bestimmt als vielfach angenommen, sie kann erlernt und verbessert werden.

Was genau misst nun der LJI?

Oliver Stübs: Der LJI basiert auf dem sogenannten „Formula 4-Ansatz“ von Führung. Dieser berücksichtigt eigenschaftsbezogene, verhaltensbezogene und situative Ansätze der Führungsforschung und postuliert vier primäre Führungsstile – den direktiven, den konsultativen, den delegativen und den einvernehmlichen. Im Wesentlichen geht es um folgende Fragestellungen: Wie stark beziehe ich meine Mitarbeiter in den Prozess der Entscheidungsfindung ein? Und wie viel Autonomie gestehe ich ihnen dabei zu?

Sebastian Hergott: Der LJI misst Leadership ganz konkret in zwei Dimensionen. Zum einen erlaubt er eine Aussage über die individuelle Neigung eines Kandidaten zum Einsatz der vier Führungsstile, prognostiziert also den präferierten Führungsstil, den der Kandidat vermutlich am häufigsten an den Tag legen wird. Zum anderen erlaubt der LJI auch Rückschlüsse auf die Urteilsfähigkeit des Kandidaten – also darauf, inwieweit dieser in der Lage ist, einzelne Entscheidungssituationen korrekt einzuschätzen und sein Verhalten darauf abzustimmen. Die Urteilsfähigkeit wird abschließend bewertet und in sogenannten „Judgement Scores“ zusammengefasst: messbaren Größen, die auch sehr unterschiedliche Kandidaten vergleichbar machen.

Soweit der theoretische Hintergrund. Wie läuft der LJI in der Praxis für den Kandidaten ab?

Sebastian Hergott: Wir führen den LJI als Einzeltest in digitaler Form durch. Der Kandidat kann den Test also komfortabel am heimischen Computer durchführen. Alternativ kann das Verfahren auch als „paper and pencil“-Test und im Gruppenrahmen durchgeführt werden. Der Proband wird in jedem Fall mit 16 komplexen Szenarien konfrontiert, die unterschiedliche Führungssituationen widerspiegeln. Für jedes Szenario werden vier Handlungsalternativen vorgegeben, die den vier bereits genannten Führungsstilen entsprechen und die der Kandidat hinsichtlich ihrer jeweiligen Angemessenheit bewerten soll. Die Bewertung erfolgt anhand einer fünfstufigen Skala. Die Beurteilung der Handlungsalternativen durch den Testanden bildet die Grundlage für die Ermittlung der Judgement Scores.

Wie sieht es mit der Akzeptanz des LJI bei Direktansprache-Kandidaten aus? Immerhin bewerben die sich ja in der Regel nicht aktiv um die ausgeschriebene Stelle.

Oliver Stübs: Die Akzeptanz der Kandidaten für den LJI ist erfreulicherweise sehr hoch. Das lässt sich vielleicht auch dadurch erklären, dass eine Vielzahl an Kandidaten großes Interesse an der Prüfung ihrer Führungskompetenz hat. Der Vorteil für den Bewerber: Er erhält ein ausführliches Profil seiner Führungsqualität, verbunden mit einer intensiven, qualifizierten Beratung von unserer Seite. Das gibt ihm auch die Chance, ganz unabhängig von der konkreten Direktansprache an seiner Führungskompetenz zu arbeiten. Zudem ist der Test vergleichsweise schnell zu bearbeiten.

An wen richtet sich der LJI – ausschließlich an erfahrene Führungskräfte oder auch an Nachwuchskräfte?

Sebastian Hergott: Die Normierung basiert auf Führungskräften mit mehr als fünf Jahren Erfahrung und auf Kandidaten mit weniger als fünf Jahren Führungserfahrung. Da an keiner Stelle biografiebezogene Fragen eine Rolle spielen, kann der Test sogar bei Kandidaten eingesetzt werden, die heute faktisch noch keinerlei Führungserfahrung mitbringen. Das macht den LJI nicht nur für die Beurteilung erfahrener Führungskräfte, sondern auch im Rahmen der Nachwuchsförderung und Personalentwicklung interessant.

Ihr habt vorhin bereits davon gesprochen, dass der LJI nicht manipulierbar ist. Welche weiteren Vorteile bietet der Test gegenüber anderen Verfahren?

Sebastian Hergott: Ein ganz klarer Vorteil des LJI liegt darin, dass der Test ausschließlich auf das Thema Leadership abzielt und sich damit auf das Wesentliche konzentriert. Die Effizienz ist also sehr hoch, was natürlich auch unseren Kunden zugutekommt. Wichtig ist für uns außerdem die Option, den LJI in anderen Sprachen einsetzen zu können, sodass sich das Verfahren eins zu eins auch in internationale Recruiting-Projekte einbinden lässt.

Oliver Stübs: Hinzu kommt als besonders wichtiges Merkmal, dass der LJI hinsichtlich Reliabilität und Validität – den entscheidenden Gütekriterien für Testverfahren – geprüft wurde und die ermittelten Daten auch transparent sind. Wir verlassen uns bei der Auswahl der durch uns genutzten Tests nicht auf die Marktdurchdringung eines Verfahrens oder die Versprechungen besonders überzeugend umgesetzter Marketing-Kampagnen, sondern setzen bewusst auf wissenschaftlich fundierte und statistisch belegbare Daten.

Welche weiteren eignungsdiagnostischen Verfahren setzt drsp neben dem LJI ein?

Sebastian Hergott: Wir verfolgen seit jeher einen multimodalen Ansatz: Neben biografieorientierten Verfahren wie der Lebenslaufanalyse und teilstrukturierten Interviews nutzen wir Rollenspiele, Fallstudien und weitere simulationsorientierte Methoden. Die Auswertung von Arbeitszeugnissen und die Einholung von Referenzen vervollständigen unsere Toolbox. Aus der Kombination der jeweiligen Einzelaspekte ergibt sich dann ein schlüssiges Gesamtbild des Kandidaten.

Oliver Stübs: In Abhängigkeit von Situation und Kundenwunsch kommen auch klassische Persönlichkeitstests zum Einsatz. Neben dem LJI gehört hier zum Beispiel das Bochumer Inventar (neuerdings auch in der Variante BIP-6F) zu den häufig genutzten Verfahren. Entscheidend ist eine facettenreiche Betrachtung des Kandidaten – nur so können wir in unserem Urteil seiner Person gerecht werden und unseren Kunden eine valide Prognose zu Eignung und Erfolgswahrscheinlichkeit bieten.

Warum nutzen aus eurer Sicht nicht mehr Personalberatungen den LJI?

Oliver Stübs: Für uns ist das nur schwer nachvollziehbar. Vielleicht fürchten einige Berater, sich durch den Einsatz objektiv messbarer Scores einen vielversprechenden Kandidaten „abzuschießen“, den man zuvor mühsam für den Mandanten begeistert hat. Was natürlich kein seriöser Grund ist, auf die Nutzung zu verzichten. Für uns stellt dies ohnehin kein Hindernis dar, weil wir uns nicht als Vermittler oder Verkäufer, sondern als unabhängiger Berater verstehen.

Auf welche Arten kann ich den LJI als Kunde nutzen? Wie aufwändig ist eine Einbindung des Verfahrens?

Sebastian Hergott: Wir bieten den LJI sowohl als Einzeldurchführung als auch als optionalen Zusatz im Rahmen unserer Direktansprache-Mandate an. Die Kosten sind abhängig von der Anzahl der getesteten Kandidaten. Pro Kandidat kalkulieren wir etwa mit einem Aufwand von zwei bis drei Beraterstunden. Hierzu gehören die Durchführung und Auswertung des Tests, die Aufbereitung der Daten für den Kunden und ein Feedback-Gespräch mit dem Kandidaten. In begründeten Fällen führen wir auch Validierungsinterviews mit einzelnen Kandidaten durch, um die erhaltenen Testergebnisse detaillierter zu beleuchten und Entwicklungspotenziale konkret herauszuarbeiten.

 

Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt. Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige jedes Geschlechts.